Vier Phasen: wenn man die Zeitgeister ehrt, arbeiten sie gern mit

Newsletter  |  August 2019

Vor einigen Wochen beschlossen wir: „Nach den guten Erfahrungen mit unserer Social-Media-Kommunikation seit 2018 ist es jetzt an der Zeit, unsere Website auf den künstlerisch-transformativen Standard zu bringen, der jetzt zu uns passt.“

Kaum hatten wir uns über unseren Mut zu dieser Entscheidung gefreut und losgelegt, meldeten sich schon zahlreiche „Aber“: Haben wir nicht gerade jetzt genug anderes zu tun? Haben wir überhaupt die richtigen Dienstleister an Bord? Hätten wir dieses Projekt nicht vorher erst einmal planen und strukturieren und verhandeln müssen?

Die Stimmen haben vollkommen recht: es gibt tausend gute Gründe, etwas gerade jetzt nicht zu tun. Und mindestens weitere tausend, die sagen, dass es gar nicht funktionieren kann.

Nun haben wir das Glück, seit einiger Zeit mit dem Vier-Phasen-Modell von Arny Mindell zu experimentieren. Das erlaubt eine erste Orientierung in unübersichtlichen Situationen. Man wird stärker, schneller und wirksamer.

Zeitgeister

Dass Orte eine Wirkung haben, merkt man daran, dass man gern an sie zurückkehrt oder sie im Gegenteil meidet. Bildhaft gesprochen: Es gibt angenehme und unangenehme Ortsgeister.

Eine ähnliche Wirkung hat die Zeit: Abhängig vom Zeitpunkt fühlt man sich anders als vorher oder nachher, verhält sich anders, sieht die Welt anders – andere Zeitgeister sind am Werk.

Arny & Amy Mindell haben vier Zeitphasen identifiziert, die sich immer wieder ablösen (Buch dazu 2017). Diese Phasen kann man im eigenen Inneren ebenso erleben wie in den Abläufen der Natur und im Geschehen menschlichen Miteinanders. Das zu wissen (oder anzunehmen) hilft sehr, um mit dem Phänomen scheinbar richtiger oder falscher Zeitpunkte, mit Zeitdruck und Ungeduld umzugehen.  Den“richtigen Zeitpunkt“ abzuwarten oder die „Gunst der Stunde“ zu nutzen, macht vieles  leichter. Wenn die  Zeit dagegen noch nicht „reif“ ist, wird es schwer.

Gerade Führungspersonen mit klarer Ausrichtung und präzisen Zielen kämpfen immer wieder mit Unmöglichem, wenn Werde-Prozesse und ihre Rhythmen nicht beachtet werden. (Siehe auch Zukunftsfähig Führen und Gesund Führen).  Das Umgehen mit Zeitgeistern ist trickreich, auch für uns als Facilitators. Daher sind die vier Phasen der Mindells sehr hilfreich (und tröstlich). Insbesondere: Jede Phase hat einen (ungefähren) Anfang und ein Ende. Und dann ist wieder eine neue Phase dran.

Phase 1: alles super

Charakteristischer Modus: Alles läuft super, wir haben erreicht, was wir wollten, wir sind toll, finden alles gut und sind bereit, diese Sicht zu verteidigen. Nichts soll uns daran hindern.

Engagierte Führungspersonen mit hoher Identifikation mit dem Unternehmen sagen in diesem Modus: „Wow meine Idee ist super, genau das ist es. Wer das nicht sieht, ist blind!“ Reklamationen, Konflikte, Widerspruch? „Ausgeschlossen!“

Fazit: In dieser Phase ist es so, wie man sich vorgestellt hatte. Bitte lasst uns das nicht kaputtmachen!

 

Phase 2: so nicht

Charakteristischer Modus: Konflikt. Auch Kampf. Hier stimmt was nicht, das ist doch klar. Jeder müsste es merken. Wir müssen mit Kritik und Widerstand dafür sorgen, dass es so nicht weitergeht.

Jetzt wird vieles sehr schwierig. Der Flurfunk sendet Drohendes und Katastrophales, die Führungskräfte haben „keine Ahnung“.

Engagierte Führungspersonen mit hoher Identifikation mit dem Unternehmen können diese Zeitgeister schlecht ertragen und wollen sie so schnell wie möglich zum Schweigen bringen.

Fazit: sehr beunruhigend. Eine Phase, die „kein Mensch braucht“.

 

Phase 3: vieles ist möglich

Charakteristischer Modus: Wie soll ich das verstehen? Oh, interessant, hätte ich nicht gedacht! Das habe ich bisher völlig anders wahrgenommen. So viele Möglichkeiten! Aber auch: nichts ist sicher. Hoffentlich reichen Zeit und Kräfte dafür aus. Wo soll das alles hinführen?

Was hilft: Dazu ermutigen, möglichst viele Perspektiven einmal auszuprobieren.

Engagierte Führungspersonen mit hoher Identifikation mit dem Unternehmen sind anfangs verunsichert. Und doch erleben sie etwas, wovon sie schon lange träumen: alle sind engagiert dabei.

Fazit: eine Phase wirklichen Entdeckens, in der vieles möglich wird. Sie braucht einen stabilen Rahmen und Mut zu Verletzlichkeit.

 

Phase 4: innerlich ruhig und gut verbunden

Charakteristischer Modus: erstaunlich, wie sich alles fügt! Vieles passt, und auch im Unpassenden steckt viel Wahres. Stille, Ruhe, kein Druck. „Irgendwie“ sind wir eins. Wir brauchen jetzt nicht zu wissen, wie es weitergeht, es wird sich zeigen.
In Teams kann es jetzt sehr still werden. Oder ein großes gemeinsames Lachen bricht aus. Ein Moment, an den man sich später erinnert. Etwas Besonderes ist möglich (Coolspot).

Engagierte Führungspersonen mit hoher Identifikation mit dem Unternehmen werden diese Momente lieben und so agieren, dass sie immer wieder möglich werden (Coolspot-Management®).

Fazit: hier will man immer wieder landen. Ein wenig könnte der Geist dieser Phase auch das Bewusstsein in den anderen Phasen durchdringen. Dabei helfen Behutsamkeit, WohlwollenVerletzlichkeit.

 

Macht & Wirksamkeit: mit Zeitgeistern arbeiten

Mit den Kräften der verschiedenen Phasen umzugehen, heißt immer: mitgehen! Wach und behutsam beobachten, ohne zu werten oder zu beurteilen, zu hassen, zu bekämpfen – oder auch schönzureden. Behutsam, wirksam, mächtig. Beim Mitgehen kann man die eigenen Fähigkeiten ausbauen und lebendig werden lassen.

In Phase 1: die eigene Identität entdecken und schätzen.

In Phase 2: den Konflikt annehmen und (enttäuscht, wütend oder erstaunt) akzeptieren, dass es gerade knallt.

In Phase 3:  einen Raum von Wohlwollen und Sicherheit entstehen lassen, in dem  sich etwas entfalten kann. Und jeder Art von Übergriffigkeit mit einem klaren Nein begegnen.

In Phase 4: allen Beteiligten ihren eigenen Stil und ihr individuelles Erleben lassen und es so achten, wie es sich gerade zeigt.

Und dann: die vier Phasen bewusst nutzen, um gute Ideen, Ziele oder Intentionen in ihrer Realisierung weiterzubringen.