Sich führen lassen: ein wichtiges Element gelebter Verantwortung
Newsletter | August 2016
Wo Fehler entstehen, muss meistens jemand Verantwortung für sie übernehmen, und nicht selten ist das mit viel Druck verbunden. Doch mit Fehlern zu arbeiten, ist gar nicht so einfach, denn oft zählt es zu den schlimmsten Dingen, die passieren können, überhaupt welche zu machen.
Fehler zu vermeiden, kostet viel Energie. Außerdem hilft es nicht: sie passieren einfach – egal, was auch versucht wird. Manche dürfen wirklich nicht passieren, wären vermutlich auch zu verhindern gewesen, und dennoch geschehen sie. Wie geht man am besten damit um?
Wo keine Fehler gemacht werden dürfen, entsteht meistens ein vielschichtiges Führungsproblem. Nicht deshalb, weil die Führungscrew zu wenig täte, sondern weil sich nicht jede/r darüber im Klaren ist, dass die eigene Verantwortung im eigenen Kompetenzfeld gebraucht wird. Doch wer Verantwortung übernimmt, ist nicht
selten der oder die Erste, die Fehler macht. Ein Teufelskreis. Wie kann man daran arbeiten?
Das Thema ist gerade für Digital Leaders essentiell, denn Digitales löst nur selten die Probleme im Inneren eines Teams. Im Gegenteil: Meistens addieren sich digitale Probleme sogar noch dazu.
Wenn nichst mehr geht
Eigentlich sollte die wichtige Kundenpräsentation genau jetzt beginnen. Doch der vortragende Mitarbeiter scheint sich seiner Wichtigkeit nicht bewusst zu sein und kommt viel zu spät. Kaum ist er endlich da, versagt auch noch sein PowerPoint den Dienst. Panisch und schweißnass tippt er auf seinem Rechner herum, der Kunde wird spürbar ungeduldig, und der wütende Hauptverantwortliche raunzt den Vortragenden an, „sind Sie bald mal fertig?“ Da geht gar nichts mehr.
Die Fakten sind klar: Der Vortragende macht eine Reihe vermeidbarer Fehler. Die bringen seinen Vorgesetzten ins Schlittern. Der hat die Sorge, sein Gesicht zu verlieren und behilft sich mit Vorwürfen. Und die Kunden?
Führen und sich führen lassen
Viel spricht dafür, dass es hier nicht nur um die Zuverlässigkeit eines einzelnen Mitarbeiters geht, sondern um ein größeres Problem; eines, das mit dem Thema Verantwortung in der Kultur des ganzen Unternehmens zu tun hat.
Bei Fendel & Partner heißt es „Führen und sich führen lassen„, und das bezieht sich auf den Umgang mit Verantwortung. Denn im Gegensatz zu der verbreiteten Sicht, dass Führung und Verantwortung nur übernehmen muss, wer oben in der Hierarchie steht, hat jede/r Einzelne in einem Unternehmen Bereiche oder Situationen, in denen er oder sie verantwortlich handeln muss. Wer richtig gut darin ist, sich führen zu lassen, übernimmt Verantwortung und führt damit auch selbst, ohne es vielleicht bewusst wahrzunehmen. Und auch wer ganz oben steht, muss nicht nur führen, sondern sich auch führen lassen.
Das Feld von Führen und Verantwortung ist wesentlich vielseitiger, als es oft aussieht. Alle müssen wissen, dass sie wichtig sind und gebraucht werden. Und dass, wer keine Verantwortung übernimmt, eine Lücke produziert und das Ganze gefährdet – unabhängig von der Hierarchiestufe. Im jeweils eigenen Bereich hat jede/r sowohl zu führen als auch sich führen zu lassen (Mehr dazu finden Sie in unserem Buch).
Räume für Verantwortung öffnen
Wenn Hindernisse sich in den Weg stellen, besteht die Verantwortung darin, so zu führen und sich führen zu lassen, dass die Hindernisse sich auflösen können und aus dem, was gerade geschieht, für alle Beteiligten das Beste entstehen kann. Deshalb liegt in Fehlern so viel Potenzial zum Lernen und Wachsen. Im Nachhinein gelingt das oft schon recht gut („hätten wir damals diesen Fehler nicht gemacht, könnten wir nicht, was wir heute können“), aber in einer akuten Situation mit viel Druck?
Die Führungssignale kommen aus dem Geschehen selbst. Um sie wahrzunehmen, muss man Boden unter den Füßen spüren, sich sicher fühlen. Dann diese Sicherheit ausstrahlen und weitergeben. Dann die Sache, um die es geht, im Fokus halten: was ist zu tun, damit es weitergehen kann? Wer hat eine Idee, wer hat Kompetenz, wer äußert sich? Welche Fragen sind zu stellen? So entsteht Raum für (gemeinsame) Verantwortung, und man animiert zum Führen. Verantwortung zu teilen, heißt nämlich gerade nicht, sie abzugeben. Im Beispiel oben gibt es eher keine geteilte und gemeinsame Verantwortung.
Es ist sehr wichtig, sich nicht den ersten Impulsen von Wut und Panik hinzugeben, sondern so gut es geht, die eigentliche Sache im Mittelpunkt zu halten. Das bedeutet nicht, dass berechtigte Kritik nicht geäußert werden dürfte – aber erst später. Später müssen auch alle anderen praktischen Maßnahmen geklärt werden: welche Vorkehrungen kann man treffen, um das Risiko solcher Pannen zu minimieren? Auch das gehört zum Lernen dazu.
Wenn Einvernehmen über geteilte und gemeinsame Verantwortung besteht, kann wenig so sehr schief gehen, dass wirklich alles verloren wäre. Ein funktionierendes Team kann trotz Druck und Angst jeden Karren zumindest ein bisschen aus dem Dreck ziehen. Wer vertrauen kann, führt schon.
Hier einige Tipps dazu
- Sich in den Dienst der Sache und ihres Erfolgs stellen.
- Die eigene Aufmerksamkeit lenken und die Wirkung des Geschehens spüren.
- Eigene Antworten finden (response-ability), dabei Chaos und Verwirrung nicht vergrößern.
- Entscheiden: wieviel Macht will ich dem Geschehen über mich geben?
- Sich vom Geschehen nicht wegreißen lassen.
- Den Geist klären, zum eigenen Mittelpunkt kommen.
- Ruhe bewahren und Stille erlauben.