Die Führungskraft, die nicht führen will #2: Sicht der Führungskraft
Newsletter | März 2015
Nachdem wir uns im Februar mit der Mitarbeiterin beschäftigt haben, die fand, sie werde von ihrem Chef nicht richtig geführt, geht es nun dieses Mal um die Perspektive des Chefs und darum, was er in dieser Situation tun kann.
Wenn Sie selbst Führungsverantwortung haben, ist es Ihnen vielleicht auch schon passiert: jemand erzählt Ihnen mehr oder weniger nett, Sie würden nicht genügend oder nicht richtig führen. Vielleicht erleben Sie auch hin und wieder Situationen, in denen andere von Ihnen etwas fordern oder erwarten, und Sie selbst spüren: es geht nicht.
Die entscheidende Frage bei diesem schwierigen Thema ist zunächst: Kann man es überhaupt wahrnehmen? Wenn ja, ist der erste Schritt schon getan. Dann kann man aktiv werden, denn von selbst wird man es nicht wieder los, und es ignorieren oder aussitzen zu wollen, macht alles nur noch schlimmer.
Raus aus der Lähmung: alles hängt fest
Chef ist der Abteilungsleiter, der unter ziemlichem Druck steht: nervige Diskussionen mit den Vorgesetzten, immer wieder neue Zumutungen und Forderungen, die sich einfach nicht umsetzen lassen – zumindest unter den jetzigen Gegebenheiten und Möglichkeiten. Und dennoch versteht er, dass die Ansprüche an ihn auch ihre Berechtigung haben.
Zu seinen Mitarbeitern gehört die Sachgebietsleiterin, die gern beherzt zupackt. Aber auch sie stellt Forderungen: Er soll ihr dabei helfen, mit einer schwierigen Mitarbeiterin umzugehen. Aber wie soll er das machen? Bei all dem Druck von oben kann er sich nicht auch noch „um jeden Kleinkram“ von unten kümmern.
Betrachtet man ihn ohne den Kontext seiner Sandwich-Position, sieht er wie ein Verweigerer aus – ein voreiliges Urteil, das konstruktive Gespräche unmöglich macht und allseitige Lähmung fördert.
Chefs müssen ihre Position einnehmen und halten können
Der Chef kann einen Lösungsweg öffnen, indem er eine klare Position einnimmt und sie hält.
Diese Position sagt:
- Ich sorge dafür, dass Probleme in meinem Verantwortungsbereich gelöst werden.
- Ich muss sie nicht selbst oder nicht allein lösen.
- Dem, was ich wahrnehme, gebe ich Bedeutung.
- Ich bin bereit, Energie und Ressourcen in eine Lösung zu investieren.
- Ich möchte, dass wir dabei lernen, mit solchen Problemen besser umzugehen.
Dann kann er für klare Kommunikation sorgen, ein Meeting einberufen und das aufkommende Problem zur Sprache bringen. In unserem Fall vielleicht etwa so: „Ich kann hier momentan nicht führen, denn ich fühle mich wie gelähmt und von allen Seiten unter Druck gesetzt. Wie können wir das gemeinsam lösen?“ Je klarer die Sprache, desto besser können die anderen reagieren, und die Lähmung und der Druck geistern nicht mehr „führungslos“ durch das Unternehmen. Die Beteiligten bekommen Sicherheit, um sich für eine Lösung zu engagieren und sich damit auch zu zeigen. Das Gespenst der Lähmung räumt seinen Platz für Transparenz.
Zurück zum Beispiel
Ein Klima von Unruhe und Demotivation in seinem Verantwortungsbereich sollte kein Chef ignorieren. Der Abteilungsleiter muss einen Schritt nach vorn machen und sich bei der Sachgebietsleiterin nach dem Stand der Dinge
erkundigen. Es geht nicht um die Frage, ob eine Lösung möglich ist, sondern wie sie aussehen könnte. Solange er meint, diese Angelegenheit sei „Kleinkram“, vergisst er, dass er seiner Mitarbeiterin eine Führungsaufgabe übertragen hat. Das bedeutet: Wenn sie findet, sie habe ein großes Problem, dann ist es ein großes Problem. Erst damit bekommt das Problem die Bedeutung, die es braucht, um angepackt zu werden.
Der Chef ist der Gastgeber, und ein Gastgeber lässt seine Gäste nicht allein, sondern kümmert sich um ihr Wohl. Mit unzufriedenen Gästen kann sich auch der Gastgeber nicht wohlfühlen. „Wohlfühlen“ ist ein wichtiger Wegweiser, denn wer sich am richtigen Ort fühlt, seine Fähigkeiten wirksam einsetzen und Herausforderungen meistern kann, in schwierigen Fällen Unterstützung und Rückendeckung bekommt, der oder die trägt zum Erfolg aller bei.
Der Chef könnte sich nun überlegen, was er sich eigentlich von seinen eigenen Vorgesetzten wünscht. Sobald er das weiß, kann er genau das seiner Mitarbeiterin anbieten und so zu dem Chef werden, den er selbst gern hätte. Die Sachgebietsleiterin kann anhand dieses Vorbilds ihren eigenen Stil entwickeln. Diese positive Verstärkung kann sich im ganzen Feld ausbreiten.