Gier, Begeisterung & Sinn

Newsletter  |  Juni 2014

Gier ist etwas Übermächtiges – etwas, das Grenzen aufhebt und Antrieb bringt. Wahrscheinlich deshalb ist es zur Zeit in Mode gekommen, sich selbst als gierig darzustellen. Der unbedingte Siegeswille und die unerschüttliche Entschlossenheit, „das Ding zu holen“, sollen darin zum Ausdruck kommen. Manche Führungskraft möchte besonders auch die eigenen Mitarbeiter als erfolgsgierig und -hungrig erleben. „Wenn die mal richtig gierig sind, holen sie alles raus“ oder „wenn ich die richtig heiß mache, sind sie nicht mehr zu bremsen“: das sind markige Worte, die überzeugen sollen. Mmmh. Während Sie noch überlegen, ob mehr Gier vielleicht auch in Ihrem Verantwortungsbereich Ihr Leben einfacher machen könnte, werfen wir mal wieder einen Blick auf die Welt der E-Gitarristen: Viele Matadoren dort eint das „Gear Acquisition Syndrome“ (der Gleichklang der Worte ist für uns ein Geschenk des Himmels), als G.A.S. 

abgekürzt. Es führt dazu, dass die Nachfrage nach Instrumenten, Verstärkern und Spezial-Effekten unersättlich ist. Ist Gier tatsächlich die beste Lösung für wirklich harte Kämpfer? Für wirklichen Erfolg? Um wirklich schnell zu sein? Wir haben uns für Sie (und für uns) dem Übermächtigen genähert. Lesen Sie, was wir gefunden haben; dieses Mal ist es fast eine Bildergeschichte geworden.

Möglichst schnell raus der jetzigen Situation

Von einem Kunden hörten wir:“Es wäre schön, wenn meine Mitarbeiter gieriger wären, dann müsste ich sie nicht dauernd antreiben“. Einen Gesprächspartner aus der Private Equity-Welt hörten wir sagen: „…das lösen wir ganz einfach: eine ordentliche Erfolgsprämie und die Leute spuren von selbst.“ Sehen wir uns diese Ausgangssituationen etwas genauer an: Die Beteiligten sehen zu Beginn vor allem Schwierigkeiten und begrenzte Möglichkeiten, und viel Gutes scheinen sie nicht zu erwarten. Dann kommt das Geld, der Bonus, die Prämie ins Spiel und plötzlich fängt es an zu laufen. Nach dem Motto „gib den Raubtieren das richtige Futter, dann springen sie über die Zäune und kämpfen für dich.“ Wenn man mit denen spricht, deren Gier

solchermaßen angesprochen wurde, dann sagen sie: “ Als es ganz dick kam, habe ich oft nur noch an das Geld gedacht, das ich bekommen würde, wenn ich es schaffe“ oder „Was mich trieb, war nur das Gefühl, dass ich mir mit dem Geld, das ich hier bekommen würde, einen Traum erfüllen konnte.“ Und dann oft ganz leise noch: „… ewig will ich das nicht machen. Wenn ich mein Ziel erreicht habe, mache ich etwas Richtiges – etwas, das für mich Sinn macht.“

Die Beziehung zum Sinn lebendig halten

Wenn man den Bezug zum Sinn einer Aufgabe hat, gibt das Sicherheit und Vertrauen. Man hat das Gefühl, auf einer „gesunden“ Basis zu operieren, auf der man sich zu Hause fühlt. Wenn man etwas Sinnvolles tut, kann man leichter für Neues offen sein. Dann fallen einem als erstes neue Möglichkeiten ein (und nicht nur Gefahren) und man ist beweglicher. Der Ausgangspunkt ist dann nicht Mangel, sondern Neugier auf etwas Unbekanntes. Der Sinn verbindet auch alle Beteiligten miteinander. Wenn es gut läuft, kann man spüren, wie jede/r

individuell und mit persönlichem Stil sinnvoll zum Ganzen beiträgt. Damit ist man auch gemeinsam beweglich, wenn Ungeplantes und Unkontrollierbares passiert.

 

Sinn & Begeisterung

Mit Gefühlen wie „hurra, es funktioniert“ und „da fügt sich ja eins mit dem anderen zusammen“ wird Begeisterung spürbar. Man merkt, dass das, was Sinn
macht, auch Erfolg bringt. Sinn und Erfolg können sich dann gegenseitig verstärken. Das Besondere am Sinn: er wirkt lange und tiefgründig, fördert neue Perspektiven und erleichtert genaues Hinsehen und Zuhören. Wenn sich die Beziehung zum Sinn immer wieder erneuern kann, kommt er auf immer wieder neue Art zum Ausdruck.

 

 

Eine Abkürzung versuchen?

Oder Sinn & Begeisterung im Spiel halten? Gier zu entfachen und zu füttern, kann der Versuch sein, eine Abkürzung zu gehen, wenn sich die „nötige“ Begeisterung für ein Projekt nicht einstellen will. Auf diesem Weg beschäftigt man sich dann nicht mit dem Sinn, sondern setzt eine Ersatzgröße wie Geld ein, um den Antrieb zu entfachen. Denn Gier kann Begeisterung sehr ähnlich sehen und für eine gewisse Zeit auch ähnlich wirken. Der Einsatz des Gier-Faktors hat allerdings gravierende Nachteile: das Zusammenarbeiten verliert für die Beteiligten seinen Wert, und

der Bezug zum Sinn geht verloren. Stattdessen soll der Erfolg, koste es was es wolle, herbeigezwungen werden. Man versucht, etwas zu steuern und zu kontrollieren, über das man nicht wirklich die Kontrolle hat. Gier als Steuerungsinstrument einzusetzen, ist manchmal auch der Versuch, Einzelne allein auf den Weg zu schicken. Das kann ein schneller Weg in Vereinsamung und seelische Verarmung werden.

 

Der schnellere Weg als die Abkürzung

Die Alternative dazu: Begeisterung möglich machen durch den Bezug zum Sinn dessen, was zu tun ist. Dann kann manches bedrohlich wirkende Unbekannte und Zukünftige sogar zu neuen Möglichkeiten von Erfolg werden. Es ist eine Kunst, das Unbekannte sich entfalten zu lassen. Die Beziehung zum Sinn des eigenen Tuns präsent zu halten und ihn als verbindendes Element im Zusammenarbeiten wirken zu lassen:
das ist Handwerkszeug zum Ausüben dieser Kunst.

 

 

Weitere Werkzeuge, die Sinn & Begeisterung fördern

  • Eine lebendige Team-Kultur pflegen: kontinuierlich, damit es auch funktioniert, wenn es einmal hart wird.
  • Das, was das Team verbindet, mitschwingen und spürbar werden lassen. Spüren ist hier das Schlüsselwort.
  • Erfolge und auch Niederlagen möglich werden lassen, akzeptieren, feiern, gemeinsam durchwandern und zum nächsten Schritt aufbrechen.
  • Tiefe Veränderungsmöglichkeiten (Transformation) in die Team-Kultur einbauen. Damit Wahrnehmung und Bewusstsein wachsen können.
  • Für Überraschungen offen und bereit sein. Wenn möglich, aus einem Zustand, der innerer Ruhe und Gelassenheit möglichst nahe kommt.