Leichter vorankommen: wirklich?
Newsletter | Dezember 2015
Unser Adventkalender (gestaltet von Michael Sowa) hält hinter jedem Türchen ein kleines Gedicht bereit (was wir vorher nicht wussten). „Klein“ hat dabei eine besondere Bedeutung: die verwendeten Worte sind „klein“, auch Kitsch und Pathos, sofern vorhanden, sind nur klein. Aber wenn man möchte, steckt doch eine ganze Menge „Großes“ drin. Zum Beispiel am 8. Dezember:
“ Vom Himmel fällt ein Stern, ein kleiner,
unmittelbar vor meine Füße.
Wahrscheinlich schickt mir irgendeiner
auf diese Weise schöne Grüße.“
Es ist wie im richtigen Leben: Bevor man das erste Türchen öffnet, weiß man nicht, was kommen wird. Und wenn einem etwas vor die Füße fällt, weiß man vielleicht noch nicht sofort, was sich damit anfangen lässt.
Der springende Punkt ist: Will man sich darüber freuen, dass da unverhofft
etwas vor die eigenen Füße gefallen ist?
Will man es als Gruß sehen, als Ausdruck dessen vielleicht, dass einem das Leben wohlgesonnen ist?
Oder will man darin einen Stolperstein sehen, der in böser Absicht geworfen wurde?
Wollen oder Nicht-Wollen, das ist hier die Frage. Unten geht es mit Antworten weiter.
nicht-linear
Ob man etwas will oder ob man es nicht will, ist keine lineare Antwort, sondern eine nicht-lineare. Der eigene Wille macht den Unterschied, und er richtet sich nicht unbedingt nach den besten Argumenten.
Wollen kann man etwas auch trotz all seiner Nachteile, oder sogar, obwohl jede Vernunft dagegen spricht. Man tut es, weil man es tun will. Vielleicht ist das sogar etwas Poetisches.
Natürlich fällt einem kein Stern vor die Füße.
Andererseits: wer wünscht sich nicht ganz schnell etwas,
wenn er eine Sternschnuppe sieht? Auch Wünsche sind
nichts Lineares, und dennoch: ganz selbstverständlich senden
wir Glück- und Genesungswünsche, herzliche Grüße, fröhliche Weihnachten …
Und sie sind wirksam, wenn sie ehrlich gemeint sind.
durch Verbindung
Wünsche kommen aus dem eigenen Inneren, wenn man mit sich selbst in guter Verbindung ist (innere Arbeit). Wünscht man jemandem etwas, baut man eine Verbindung zu diesem Menschen. Nähe entsteht. Das kann man auch körperlich spüren. Mit nahestehenden Menschen gemeinsam kann man vieles verändern, das man nicht für möglich gehalten hätte. Auch da findet Nicht-Lineares statt.
durch Vergebung
Vergebung findet da statt, wo man Frieden schließt mit dem, was geschieht, und mit den Akteuren, die es verursachen. Das Seltsamste daran: es macht beide Seiten frei. Frei dafür, alles auch ganz anders zu sehen zu können, frei für neue Verbindungen. Vielleicht ist Vergeben das Nicht-Linearste, das es gibt? Die Entscheidung zwischen „ist mir ein Stern vor die Füße gefallen?“ oder „schon wieder ein neues Hindernis!“ trifft man ganz allein selbst. Man könnte es also auch bewusst tun.
durch Transformation
Vergebung transformiert Geschehenes und ist ein Motor für tiefgreifende qualitative Veränderung. Der pure Wille, leichter voranzukommen, kann transformierend wirken, indem er die Prioritäten neu verteilt. Nicht, weil man es muss (linear), sondern weil man es will (nicht-linear). Wenn es gelingt, das zu wollen, was man muss, wird sogar das Müssen transformiert. Vorteil: Das eigene Tun geht leichter von der Hand und ist wirksamer.
hin zum Flow
Über etwas, das einem vor die Füße fällt, kann man stolpern und sich ein Bein brechen, man kann es aufheben und wegschleudern, man kann sich darüber ärgern und es sogar verwünschen, man kann einen Anschlag darin vermuten und sich auf die Suche nach dem Täter machen. Wahrscheinlich kommt man dann leicht in einen ZickZack-Modus, immer wieder rauf und runter, und das Vorankommen wird erheblich erschwert.
Wenn man möchte, kann man es auch als Zeichen sehen. Als Zeichen der Ermutigung, zur Umkehr, zum Weitergehen oder auch zu einem Moment der Stille und Ruhe. Darüber kann man sich freuen, wenn man sich freuen möchte. Und so könnte man in einen Flow kommen, indem man den Zeichen folgt, die Erleichterung versprechen: linear und nicht-linear, verbunden mit sich selbst und anderen.
nicht jetzt?
Man kann es auch als Zeichen sehen und sich dafür entscheiden, diesem Zeichen jetzt nicht folgen zu wollen. Vielleicht später. Vielleicht bald. Vielleicht erst beim nächsten Zeichen.