Abwimmeln hinterlässt bleibende Schäden – Verletzlichkeit nicht

Newsletter  |  November 2017

Mit großer Begeisterung hatte eine von uns Lustlosigkeit als Thema für diesen Newsletter vorgeschlagen, aber schnell wieder verworfen. Dieses Wort sollte besser nicht in der Betreffzeile erscheinen, wenn wir nicht wieder im Spam landen wollten. Der listige Algorithmus hätte wieder nur an das Eine gedacht und sofort dichtgemacht.
So kamen wir von der Beobachtung zunehmender Lustlosigkeit in Unternehmen auf die Kulturtechnik des Abwimmelns. Und siehe da, es gibt zwischen beiden eine starke Verbindung. Wenn man nämlich abgewimmelt, ferngehalten, bekämpft oder abgewehrt wird, ist Lustlosigkeit eine häufige Folge – auf beiden Seiten! Die frustrierte Energie der Abgewimmelten und auch der Abwimmler kann zukunftsfähigem Führen und Zusammenarbeiten massiv im Weg stehen.
Es gibt Situationen, in denen man sich vorübergehend abschirmen will oder muss, um auf Kurs zu bleiben und gesteckte Ziele zu erreichen. In solchen Fällen kann man andere auf später vertrösten. Dieses Später muss es dann allerdings auch geben, damit sich die Betroffenen nicht abgewimmelt fühlen.

Fast jede/r kennt aber vermutlich auch den Wunsch, sich von einzelnen Menschen am liebsten dauernd abzuschirmen, weil man sich von ihnen und ihren Anliegen gestört fühlt oder sie sogar fürchtet. Ein „Später“ soll es also gar nicht geben. Die Gegner und Feinde, die man so gewinnt, bleiben es daher auch gern lange.

 

Das Problem: Ungleichheit

Wenn man sich jemanden vom Hals schaffen will, um sich mit etwas nicht beschäftigen zu müssen, so muss man das, was man nicht haben will, kleinreden, marginalisieren. Man muss es kleiner machen als das, was einem wichtig ist. Man muss sich darüber erheben. Automatisch erhebt man sich damit auch über den Menschen, der dieses Anliegen hat. Und automatisch wird dieser Mensch es merken.
Diese drei Marginalisierungstechniken sind häufig:
  • Verleugnen: „Das kann nicht sein. Wenn da etwas wäre, wüsste ich es.“
  • Überdruss: „Nein, nicht schon wieder. Jetzt reicht es.“
  • Zynismus: „Ich weiß, dass Sie immer im Recht sind. Aber dieses eine Mal sind Sie es nicht.“

Das Vorgehen kann unterschiedlich motiviert sein:

  • man fühlt sich angegriffen
  • man will den eigenen Fokus halten
  • es soll schnell gehen
  • Zeit und Ort sind unpassend
  • man nimmt ein eigenes Bedürfnis wichtiger.

Leider wirkt das Motiv des abwimmelnden Verhaltens beim Gegenüber tiefer als das Verhalten selbst. Die/der Abgewimmelte fühlt sich nicht ernst genommen, und dieses Gefühl wird wichtiger als das ursprüngliche Anliegen. Man spürt eine mehr oder weniger subtile Schuldzuweisung und fühlt sich dadurch zu einer Opferhaltung „eingeladen“.

 

Es geht auch anders: mit Aufrichtigkeit

Seien wir ehrlich: Da geht uns jemand auf den Keks, konfrontiert uns mit etwas Unangenehmem – nicht einmal spüren wollen wir das, und zugeben schon gar nicht. Sind wir als Chefin oder Chef unaufrichtig (weil wir uns unter Druck fühlen), machen wir Unaufrichtigkeit im Unternehmen zum Standard.
Hinzu kommt: Beim Abwimmeln würgt man auch Neues und Überraschendes ab, was ein Fehler sein könnte. Bestimmte Potenziale, die man vielleicht gut brauchen könnte, stehen dann nicht zur Verfügung. Auch das breitet sich als Standard aus.
„Ich weiß selbst, was für mich gut ist, das braucht mir niemand zu sagen.“ Wie sich das auf Beziehungen und Zusammenarbeiten auswirkt, hat wahrscheinlich jede/r schon erlebt. Aufrichtigkeit und Offenheit dagegen machen verletzlich. Und Verletzlichkeit ist das einzige, was wirklich stark macht. 

… und Verletzlichkeit

Verletzlichkeit beginnt damit, dass man die eigene innere Stimmung (und die inneren Stimmen) besser wahrnimmt, ohne sie zu bewerten. Dass man die Sicht weitet, Wärme
und für einen Moment auch Zeitlosigkeit reinbringt. Es braucht Übung, bis die im eigenen Inneren ausgetragenen Kämpfe auf diese Weise immer öfter zu innerem Frieden finden. Was man innerlich friedlich tut, strahlt tendenziell
auch nach außen etwas Friedliches aus. Man wird berührbar, wenn man sich selbst so spürt, und kann andere berühren. Mitgefühl entwickelt sich und macht die Beziehungen leichter.

Mitgefühl

Abwimmler ebenso wie Abgewimmelte wollen die eigene Verletzlichkeit nicht spüren und sind daher anfällig für Kränkungen, wenn Mitgefühl fehlt.
Mitgefühl heißt, einen Anderen in seiner Andersartigkeit zu respektieren, seine Bedürfnisse nachzuempfinden und ihm unterstützend zur Seite zu stehen. Damit er/sie tun kann, was für ihn/sie das Beste ist. Was dieses Beste ist, braucht der/die Mitfühlende nicht zu wissen.
Solches Mitgefühl kann Abwimmlern und Abgewimmelten helfen, nicht in Gegner- oder gar Feindschaft auszuweichen, sondern an ihrer Beziehung dranzubleiben: aufrichtig, verletzlich, mitfühlend, respektvoll. Unternehmen, in denen so etwas zum Standard wird, gestalten eine Zukunft mit, die mehr kann als Einze