Dominanz & Wirksamkeit & Macht

Newsletter  |  November 2019

Wann spricht man von einem WIR-Projekt? Wenn sich ein Team oder eine Organisation dafür entscheidet, dem Miteinander, dem Zusammenarbeiten und dem Spirit Aufmerksamkeit zu geben und gemeinsam daran zu arbeiten. Wenn es gelingen soll, ist der erste Schritt: aus Betroffenen dürfen Beteiligte werden. Dann kann es auch sein, dass eine der Beteiligten sagt: Ich wünsche mir, dass aus unserer Gruppe ein Team wird. Diese Entwicklung kann man fördern und erleichtern. Aber man kann sie nicht anordnen und schon gar nicht erzwingen.

Auch wenn man glaubt, man müsse nur mit einer gewissen Dominanz und Stärke „mal auf den Tisch hauen“, und dann laufe es von selbst: ein lebendiges und robustes WIR wird sich daraus eher nicht entwickeln. Die so Angesprochenen sind Betroffene, aber keine mitwirkenden Beteiligten.

Viele von uns neigen dennoch dazu, Dominanz mit Wirksamkeit gleichzusetzen und dann einfach mal „ordentlich Druck“ zu machen. Wenn Sie Ihre potenziellen Mitstreiter nicht zermürben oder müde machen wollen, sondern belebendes und gelingendes Zusammenarbeiten anstreben, dann lesen Sie weiter und hören Sie den Podcast dazu!

Der Traum vom Einfachen …

sieht oft so aus: „einfach“ mal was durchdrücken, etwas „einfach“ ratzfatz zu Ende bringen, „einfach“ mal zu Potte kommen und fertig.
Für davon Betroffene sieht das dann ungefähr so aus: Ein Akteur im Feld bläst sich auf, reißt alles an sich und will es dirigieren und kontrollieren. Null Spielraum für andere. Variante: Die Akteurin agiert zwar nur leise und unmerklich, aber eiskalt, intransparent und so schnell, dass einem der Atem stockt.
Kurzum: Was für die einen die „einfache“ schnelle Lösung ist, ist für andere frustrierend ohne Ende.

Prinzipien für Gelingen

Wenn etwas gelingen und Eigendynamik entfalten soll, muss man das Feld berücksichtigen, das im Kontext der jeweiligen Aufgabe relevant ist. Aus diesem Kontext ergeben sich im Feld bestimmte Positionen und damit verbundene Sichtweisen, die, wenn sie zu Wort kommen, durchaus Widersprüche hervorrufen können.
Dann gibt es auch bestimmte Phasen, die das Feld beim Bearbeiten der Positionen, Sichtweisen und Widersprüche durchlaufen muss, bis eine robuste und akzeptable Lösung entstehen kann

Gelingen kommt dadurch zustande, dass die Akteure in einen solchen Prozess einsteigen, ihre Positionen einnehmen und mit dem umgehen, was gerade dran ist.

Dass es gelingt, kann man spüren,
  • wenn die Akteure beweglich werden und allmählich auch neue Positionen einnehmen können,
  • wenn die Akteure sich über ihre Funktionen hinaus als Menschen zeigen, Essentielles und Berührendes ins Feld bringen,
  • wenn die Akteure zulassen, dass Überraschendes und Verbindendes entsteht und seine Wirkung entfalten kann (Coolspots).

 

Der Schlüssel: Beziehungen gestalten

Gelingen braucht die Beziehungen der Akteure untereinander. Und zwar so, dass Unterschiedlichkeit geachtet wird und sogar ein Teil der Lösung sein kann. Dominantes Intervenieren ist dagegen oft der Versuch, die wirkenden Kräfte zu kapern und für sich zu vereinnahmen. Alles, was „anders“ ist, wird dann zum Verschwinden gebracht oder kann gar nicht erst entstehen. Dafür gibt es Gründe: vielleicht ist es der Stil des Hauses; vielleicht glaubt man, auf lebendige Beziehungen mit all ihren Überraschungen verzichten zu können; vielleicht fehlen einfach nur Zeit und Geduld.
Dabei ist „Reinhauen“ an sich ok. Allerdings nur dann, wenn man auch Gegendominanz akzeptiert und sich mit ihr auseinandersetzt, statt sie zu vernichten! Ausschlaggebend ist nämlich Resonanz.
Beziehungen sind für Lebewesen essentiell und überlebenswichtig. Im Grunde besteht alles Leben und Arbeiten in erster Linie aus Beziehungen. Schon deshalb, weil man selbst nicht alles kann und deshalb Unterstützung braucht. Und auch deshalb, weil man für das, was man besonders gut kann, „Abnehmer“ braucht, die es gut verwenden können.

Resonanz und eigene Macht

Wenn man ein gutes Verhältnis zu den eigenen Fähigkeiten, Qualitäten und Möglichkeiten entwickelt, wird man zunehmend feststellen, dass man davon selbst nur einen kleinen Teil spürt. Der viel größere Teil lässt sich nur durch Feedback oder Resonanz anderer wahrnehmen, mit denen man in Beziehung steht.
So ist das Gestalten von Beziehungen auch ausschlaggebend dafür, die eigene Macht wirklich wahrzunehmen: durch bestätigende Resonanz. Wer aufmerksam wahrnimmt, erfährt genau dadurch, was ihn oder sie selbst besonders und anerkennenswert macht. Mit dominantem Reklamieren von Macht gelingt das nicht so gut.

 

Dominanz & Wirksamkeit & Macht

Die Fähigkeit, eine klare Position einzunehmen und zum Ausdruck zu bringen, ist entscheidend für Wirksamkeit. Das hat viel mit individueller Energie und Ausstrahlung zu tun und ziemlich wenig mit Eigenschaften, von denen man glaubt, dass andere sie erwarten. Das ist die Kunst des Führens: den eigenen Stil lebendig einbringen und ein Gespür dafür entwickeln, was diesen Stil stärkt und was ihn schwächt. Verletzlichkeit ist nötig, damit man auch spüren kann, wie weit man in dem einen oder anderen Kontext mit dem eigenen Stil gehen darf.
So kann Dominanz zu einer Frage des Stils werden, und ihr behutsamer Einsatz hängt von Kontext, Zeit und Ort ab. Immer geht es darum, die eigenen Möglichkeiten zu entfalten und damit wirksam zu werden. Wer dominant ist, ist dem Wortsinn nach Herr oder Herrin des Hauses. Also Gastgeber. Und Gastgeber sollten ihren Gästen Sicherheit geben, damit sie sich entfalten können. Die Gäste könnten das honorieren, indem sie auch ihre eigene Macht und Wirksamkeit ins Spiel bringen. Eine Kaskade des Führens setzt sich in Bewegung und bewirkt qualitatives Wachstum auf allen Ebenen.