Resonanz vom Feinsten: Anerkennung & positive Verstärkung

Newsletter  |  November 2020

Es gibt ein Experiment, mit dem man den Unterschied zwischen überhaupt keiner, negativer und positiver Resonanz erleben kann. Es funktioniert so ähnlich wie das Topfschlagen früherer Zeiten:

Ein Gegenstand wird versteckt, und eine Person muss ihn suchen. Während der Suche verhalten sich die Umstehenden im ersten Fall völlig passiv: Sie geben keinerlei Zeichen, ob es gerade in die richtige oder falsche Richtung geht, bleiben einfach still. Für die suchende Person eine blöde Situation, die schnell zu Unlust und Unmut führen kann.

Im zweiten Fall bekommt die suchende Person immer dann ein Signal, wenn sie auf dem falschen Weg ist. Sie muss also bei jedem Signal die Richtung ändern. Irgendwann scheint es dann keine Richtung mehr zu geben, die sie noch versuchen könnte. Sie kann sich nicht mehr bewegen und gibt auf – ratlos und sauer.

In der dritten Variante kommt das Signal, sobald die suchende Person in die richtige Richtung unterwegs ist. So freut sie sich auf das jeweils nächste Signal und nutzt es, um ans Ziel zu kommen. Das ist positive Verstärkung.

Zauberkraft ist wach

Negatives Verstärken: was klingt ungesagt mit?

Das oben beschriebene Experiment macht spürbar, wie Gleichgültigkeit, Zurechtweisung oder Ermutigung von Führenden auf die wirken, die sich führen lassen. Ein weiteres, sehr interessantes Ergebnis ist aber auch dieses: Wer die Signale zu geben hat, findet es fast ausnahmslos leichter, die Stopp-Signale zu geben als die ermutigenden. Ersteres funktioniert als Gewohnheit und Routine, über das zweite muss man nachdenken, bevor man handelt. Und macht erstaunlich viele Fehler.

Was ist ist das für eine Perspektive, in der Kritisieren leichter fällt als Ermutigen? Welches Ziel wird da verfolgt? Kann es wirklich um gemeinsamen Erfolg gehen? Oder geht es vielleicht um etwas ganz anderes?

 

Was will ein Spruch wie „nicht geschimpft ist genug gelobt“ sagen? Und was sagt er über das Miteinander der Beteiligten?

Mal ehrlich: Wer in einer Beziehung mit Anerkennung, Lob oder Ermutigung geizen muss, geizt vor allem mit der eigenen Wirkungsmacht und der damit verbundenen Attraktivität.

Positives Verstärken: ein Votum für Miteinander?

Ein Beispiel: Sehr begeistert von seiner Idee, bittet ein Bereichsleiter seine Chefin darum, einem Kunden ganz unbürokratisch und schnell einen bestimmten Gefallen tun zu dürfen. Der Chefin fällt als erstes auf, dass damit eine kürzlich erst getroffene Betriebsvereinbarung zur Begrenzung von Überstunden verletzt würde.

Schon im nächsten Moment aber möchte sie das überraschende Engagement des Bereichsleiters dennoch anerkennen. Daher sagt sie nicht, was ihr als erstes in den Sinn kam: „Ach! Und was ist dann mit der Vereinbarung über Überstunden, die wir gerade erst auf Ihr Betreiben getroffen haben? Das hätten Sie sich besser mal früher überlegt. Jetzt ist es zu spät.“ Das wäre eine typische negative Verstärkung, wie sie jeden Tag überall vorkommen kann.

Die verschiednenen Auge des NeuStart
Die Chefin spürt einerseits, dass die Idee des Bereichsleiters so nicht realisierbar sein wird, aber andererseits spürt sie auch, dass sie mit einem alltäglichen Sachargument seine Idee und sein Engagement sofort zum Absturz bringen würde. Also entscheidet sie sich jetzt dafür, seine Initiative anzuerkennen. Sie sagt: „Sie haben völlig recht, es lohnt sich, diesem Kunden zu zeigen, dass wir ihn schätzen. Super Initiative – ich möchte Sie dabei unterstützen.“

Und dann: „Als erstes müssen wir Ihr Team ins Boot holen, denn es sollte die Aktion mit tragen. Dabei müssen wir unbedingt an die neue Betriebsvereinbarung zu Überstunden denken. Wie kann ich Sie dabei unterstützen, damit wir alle gemeinsam einen Weg finden können, ohne dass sonntags gearbeitet werden müsste?“

Die verschiednenen Auge des NeuStart

So wirkt positive Verstärkung

1  Die Begeisterung bleibt im Spiel und wird aufgenommen. Die Idee bekommt positive Resonanz und einen Raum, in dem sie sich weiter entwickeln kann.

2  Der Initiator findet Anerkennung und Ermutigung. Die Verantwortung wird ihm aber nicht abgenommen.

3  Auch wenn er sich dadurch zunächst gebremst fühlen könnte, wird er sich später besser fühlen, wenn seine Mitarbeiter von Anfang an mit im Boot sind.

4  Bestehende Bedingungen werden respektiert.

5  Die Bindung des Kunden an das Unternehmen wird wahrscheinlich wachsen, weil die gute Atmosphäre beim Lieferanten auf ihn „abfärbt.“

 

Désignation 1989

Mut zum inneren Dialog

„Nicht geschimpft ist genug gelobt! Hm … Meine ich das wirklich so, wenn ich es sage? Mit diesem kleinen Anflug von Stolz auf meine professionelle Härte? Geht es hier denn wirklich um mich? Als erstes müssen die Zahlen stimmen, und das muss auch für alle oberste Priorität haben. Ob meine Mitarbeiter*innen zufrieden sind oder nicht, darauf kann ich keine Rücksicht nehmen … oder vielleicht besser doch? Vielleicht wäre es einfacher, angenehmer, leichter … wenn wir es zusammen machen?

Wenn ich den Mut hätte, weniger zu kontrollieren und weniger einzuengen? Wenn ich es schaffen könnte, den Mitarbeiter*innen sicheren Raum zu geben, damit sie sich engagieren und verantwortlich einsetzen können? Wenn sie dann auch mal einen Fehler machen können und wir es trotzdem hinkriegen? Dann wäre Lob doch ein Zeichen von Freude, oder?“

 

 

 

 

 

 

Das, worum es wirklich geht

Für den Empfänger hat positive Verstärkung etwas Mobilisierendes. Für die Anbieterin ist sie eine stetige und lebendige Herausforderung, sich auch selbst weiter zu entwickeln. Manchmal mag positive Verstärkung auf den ersten Blick etwas vage erscheinen, wohingegen Widerspruch äußerst präzise wirkt.

Aber auf Dauer schafft sie eine Atmosphäre von Anerkennung. Das macht robuster darin, gemeinsam mit schwierigen Umständen umgehen zu können.

Manchmal ist es einfach vernünftig und auch wohltuend, sehr sehr geizig mit negativer Verstärkung zu sein.

Zauberkraft klingt nach