Der goldene Drachen der Weisheit: prozessorientiert arbeiten

Newsletter  |  Dezember 2021

Es gibt Ereignisse, die hauen so rein, dass die bestehenden Strukturen (scheinbar) nicht mehr funktionieren. Spielerische Kreativität zur Problembewältigung? Fehlanzeige! Es ist, als hätte man es mit dem Überfall eines Drachen zu tun.

Gerade dann, wenn es richtig schlimm wird, soll es meist auch besonders schnell gehen. Weglaufen und Leugnen bieten sich als besonders schnelle Lösung an, funktionieren aber nicht, wenn der Drache schon da ist.

Die Situation braucht als erstes Akzeptanz und wache Aufmerksamkeit. Es müssen Kräfte aktiviert werden, von deren Vorhandensein man unter Umständen bis dahin gar nichts wusste.

Im Kampf mit einem Drachen ist es meist eine List, die die Lösung bringt. Das ist auch in realen dramatischen Situationen ähnlich: Es muss anders und

Goldener Drachen der Weisheit: prozessorientiert arbeiten

vielleicht ganz neu gedacht werden, um die Situation zu drehen. Die üblichen Mittel helfen nicht mehr.

Es gilt, sich auf den Weg zu einer neuen Perspektive zu machen. Transformation und Transformationsfähigkeit sind nötig.

Es läuft aus dem Ruder

Es läuft aus dem Ruder

Der Fall: Die Veränderungsoperation war durchdacht, gut geplant, und die Vorbereitung bestens ausgeführt. Ohne den laufenden Betrieb zu unterbrechen, sollte in einem Verfahrensschritt eine Erweiterung stattfinden und ein Element, das an falscher Stelle saß, herausgenommen werden.

Die Maschinerie lief an, und alles gelang wie gewünscht. Schließlich ging es „nur“ noch darum, abschließend den Standard- und Normalbetrieb stabil wieder ans Laufen zu bringen. Und da gab es plötzlich Turbulenzen; die verfügbaren Instrumente griffen nicht so wie gewünscht.

Es passierte, was im laufenden Betrieb so passiert: Es gab Kettenreaktionen, die das System zunehmend destabilisierten. Für die beteiligten Akteure wurde es zuerst „blöd“, dann ernst, und schließlich sehr schmerzhaft.

Aus Zeitmangel kam man wenigstens nicht auf die Idee, nach Schuldigen zu suchen. Es ging jetzt einzig darum, mit den Störungen so umzugehen, dass deren Kraft nicht verheerend wirkte. So schnell wie möglich musste ein Weg zu neuer Stabilität und Robustheit gefunden werden.

Prozessorientiert arbeiten: eins zwei drei

Prozessorientiert an den Umgang mit einem solchen Problem heranzugehen bedeutet, dass nicht mehr nur die kausalen Beziehungen und standardisierte Abläufe des Alltags die Lösung bringen müssen. Es darf jetzt alles mitwirken, was sich sonst noch im Umfeld anbietet. Vor allem Pfiffigkeit und Mut.

Protess-Orientierung

Als Allererstes ist daher zu respektieren, dass das Problem zu groß ist, um es auf bekannte lineare Weise zu lösen.

Im Fall: Aus dem Ruder ist nicht die Operation selbst gelaufen, sondern der Adaptationsprozess danach. Da schlägt der Drache zu: „Betrieb muss am Laufen gehalten werden“ prallt auf Turbulenzen & Blockaden. Der Krisenmodus wird ausgerufen und alle Beteiligten werden mobilisiert.

Protess-Orientierung
Als Zweites muss jetzt berücksichtigt werden, dass parallele Abläufe auf mehreren Ebenen beteiligt sind. Sie alle müssen einbezogen werden.

Im Fall: die technischen Gegebenheiten in der Anlage, individuelle Gegebenheiten der verantwortlichen Akteure, Gegebenheiten des aktiven Teams – und eventuell der gesamten Organisation.

Protess-Orientierung

Als Drittes kommt nun eine Mischung aus Struktur und Gemeinschaftlichem und Führen. Man achtet darauf, dass die beteiligten Akteure nicht in einen Allein-Modus rutschen, sondern sich immer wieder in den Team- oder Gruppen-Modus einfinden und dort gleichwertig agieren können. Hierarchische Verantwortungen und Privilegien werden nicht angetastet, aber potentiell ist der Beitrag des Arbeiters vor Ort ebenso wertvoll wie der der gesamtverantwortlichen Chefin.

Im Fall: ein kleines Führungs-Team wird gebildet und ein Team von Akteuren vor Ort. Später auch ein weiteres Team für die Krisenbetreuung der Betroffenen, etwa Kunden und Lieferanten.

 

Prozessorientiert arbeiten: vier fünf

Protess-Orientierung
Viertens bekommt parallel zur technischen Ebene auch das Mit- und Gegeneinander in den Teams 100% Aufmerksamkeit. Denn dort spiegelt sich unter Umständen symbolisch genau das, was im technischen Ablauf so drachenhaft störend wirkt.

Im Fall: alles ok, in den Teams spürt man den Willen zum Miteinander, auch wenn es teilweise knallt. Man bleibt zusammen und generiert dadurch Sicherheit und Verlässlichkeit für alle.

Protess-Orientierung

Fünftens beginnt die essentielle Arbeit, um die Problemlage zu bewusster Weiterentwicklung zu nutzen: Das Problem darf „sprechen“, und man hört so unvoreingenommen wie möglich zu. Dazu nimmt man sich Zeit – weil man Zeit sparen will. Von welcher Art ist das drachenhaft Störende? Wie spürt man es? Welches Bild entsteht dazu?
Dann die Frage: was wird hier attackiert? Etwas Altbekanntes, etwas Neues? Ein Alleinstellungsmerkmal vielleicht? Wie fühlt sich das an? Welches Bild entsteht dazu?
Wichtig: die Heftigkeit der Attacke entspricht der Bedeutung des Attackierten.

Im Fall: Das Team stellt fest, dass das Problem in der Anlage eine krasse Verlangsamung bewirkt. Es wird klar, dass man bisher großen Wert darauf legt, alles schnell und fast unbemerkbar über die Bühne zu bringen. So, als wäre gar nichts. Auch nichts zu entdecken. Attackiert wird die Überzeugung, alles sei immer schon vorher klar.
Jetzt wird man dazu gezwungen, in kleinen Schritten vorzugehen, um das Ziel zu erreichen. Man braucht nicht alles vorher zu wissen, und manchmal dauert es einfach länger. Wenn man immer alles auf einmal erledigen will, könnte man Essentielles verpassen.

 

Transformationsfähigkeit in Betrieb

Wenn verheerende Drachenenergie zuschlägt, funktionieren sichere Strukturen mit einem Schlag nicht mehr – nur kurz, oder auch länger.

Dies ist ein Signal, das in die Zukunft weist: Als Erste Hilfe sind Gegensteuern und Reparieren nötig. Aber dann will auch etwas bisher Unbekanntes entdeckt und in Betrieb genommen werden. Vom punktuellen Ereignis lässt man sich dahin führen, mehr in Prozess, Werden-lassen und einen-Weg-gehen zu denken und zu agieren.

Wenn man sich bewusst prozessorientiert der Drachenenergie stellt, wird man Essentielles finden, das sich danach in vieles einbauen lässt und zu qualitativem Wachstum führt. So kehrt das ehemals Verheerende seine Wirkung um, indem es an den Moment erinnert, in dem man die eigene Fähigkeit zu Transformation entdeckte und einsetzte: die Geburtsstunde des Goldenen Drachen der Weisheit (nach Michael Ende: Jim Knopf und die Wilde 13). Denn es ist weise, mit Ereignissen und Umständen lebensorientiert und wohlwollend umzugehen.

Transformationsfähigkeit